Januar 2021
Fotos: Ralf A. Niggemann und Leica Camera
HfG Offenbach am Main

Leica Design

Die Designgeschichte von Leica ist einzigartig. An der Hochschule für Gestaltung Offenbach am Main hat Prof. Dr. Klaus Klemp mit Studierenden den roten Faden der Marke mit dem roten Punkt aufgerollt.

Verabredet sind wir mit Prof. Dr. Klaus Klemp im Museum Angewandte Kunst Frankfurt. Im Büro des Kurators unter dem Dach der alten Villa Metzler stehen sie aufgereiht, die legendären Hifi-Anlagen von Braun, daneben zahlreiche Nizo Filmkameras und -projektoren. Dieter Rams hat ihnen eine ebenso unverwechselbare wie zeitlose Form verliehen. Kaum einer kennt den legendären Designer und dessen ikonische Produkte besser als Klaus Klemp. Gerade erst hat er das erste Werkverzeichnis herausgegeben.

„Wirklich ikonische Designs sind selten“, bekennt Klaus Klemp. Die Produkte von Braun aus der Ära von Dieter Rams gehören für ihn dazu; der Porsche 911er auch; und die Leica M. In jüngster Zeit hat sich Klemp intensiver mit dem Design der Leica Kameras befasst. Dass er dies gemeinsam mit jungen Studierenden getan hat, sieht der Professor für Designgeschichte und Designtheorie an der HfG Offenbach gewissermaßen als seinen Auftrag: „Man begreift die Geschichte und Theorie des Designs nur dann, wenn man sich mit den Produkten auseinandersetzt, die daraus hervorgegangen sind“, betont Klemp. „Und wir hatten vor rund eineinhalb Jahren die großartige Gelegenheit, dies bei Leica zu tun.“

DNA und Stammbaum der Leica Kameras

Die Studierenden beschäftigten sich mit verschiedenen Phasen und Produktgenerationen: von der UR-Leica über die erste Leica, die 1925 auf den Markt kam, bis zu den Schraub-Leicas; mit der DNA der Leica M, die seit 1954 bis zum aktuellen Modell Leica M10 mehr als sechs Jahrzehnte überdauert hat; mit dem Stammbaum der Spiegelreflex-Kameras, der 1964 beginnt und erst 2009 mit der R9 endet. Eine Studierendengruppe analysierte das Corporate Design der Marke und verschiedene Werbemittel seit den 1920er-Jahren bis heute. „Wir hatten Zugang zum Leica-Archiv, zu Dokumenten und historischen Produkten“, erzählt Klaus Klemp, „und die Studierenden hatten im Leica Store die Möglichkeit, die aktuellen Kameras optisch, haptisch und anwendungstechnisch zu erkunden.“

»So wird Designgeschichte und -theorie lebendig
vermittelt, man kann sie buchstäblich anfassen – umso
mehr, wenn man solch herausragende Designprodukte
wie die Leica auch noch vor der Haustür hat.«

Prof. Dr. Klaus Klemp

Die gewonnenen Erkenntnisse wurden systematisch zusammengetragen und aufbereitet. Nach dem sogenannten „Offenbacher Ansatz“ haben die Studierenden verschiedene Aspekte in die Betrachtung einbezogen: nicht nur nach formalästhetischen Kriterien wurden die Kameras analysiert, sondern auch hinsichtlich der Anzeichen- und Symbolfunktion – oder wie es Klaus Klemp erläutert: „Jedes Produkt ist immer auch eine symbolische Repräsentation; unter dem Aspekt der Anzeichenfunktion wiederum wird untersucht, wie selbsterklärend etwa Produkte oder Bedienelemente sind.“

Interviews mit Designern und Fotografinnen

Wie aber gestaltet man eine Leica Kamera? Welche Ansätze und Ziele verfolgen die Designer? Und was schätzen die Fotografinnen und Fotografen an der Form und Funktion einer Leica? Um dies herauszufinden, hatten die Studierenden die einzigartige Gelegenheit, Interviews mit den maßgeblichen Designern der vergangenen 65 Jahre zu führen, etwa mit Heinrich Janke, der ab 1954 die Leica M und R maßgeblich gestaltete, oder mit den Mitgliedern des heutigen Leica Designteams Mark Shipard und Christoph Gredler. Unglaublich gewinnbringend für die Studierenden war die Begegnung mit der berühmten Fotografin Barbara Klemm, um darüber zu sprechen, ob und inwiefern eine Kamera auch den Stil und die Weise zu fotografieren beeinflusst.

„Diese Interviews waren für die Studierenden ganz wunderbar“, schwärmt Professor Klemp. „So wird Designgeschichte und -theorie lebendig vermittelt, man kann sie buchstäblich anfassen – umso mehr, wenn man solch herausragende Designprodukte wie die Leica auch noch vor der Haustür hat.“ Ob sich aus der intensiven Zusammenarbeit noch mehr ergibt, ist offen. Eine Ausstellung oder Publikation könnte sich Klaus Klemp vorstellen. Vielleicht ließe sich so ja der rote Faden der Marke mit dem roten Punkt noch ein Stück weiter aufrollen.

1954 – 1966

Die Leica M3 hat in ihrer unverwechselbaren Form und herausragenden Funktion alle nachfolgenden Generationen maßgeblich geprägt.

2017 – 2020

Die Leica M wurde über mehrere Generationen weiterentwickelt. Ihrem Design blieb sie treu. Bis heute. Hier abgebildet: die Leica M10.

Designgeschichte der Leica Kamera
Hochschule für Gestaltung Offenbach

Leitung
Prof. Dr. Klaus Klemp, Dipl. Des. Pia Scharf

Studierende
Lara Bohe, Clara Brandt, Marlene Bruch, Andreas Grzesiek, Teresa Herzog, Carina Hinterkircher, Amelie Ikas, Paulina Kämmerer, Yujin Kang, Stella Krause, Till Maurer, Jonas Theisinger, Yuquin Wu.

Weitere Informationen:
www.hfg-offenbach.de