Juni 2025
Michael Menges, Head of Sights & Head of Site Wetzlar / Ground Based Systems, HENSOLDT Optronics GmbH. (Fotos: Ralf A. Niggemann, HENSOLDT)
HENSOLDT

Zeitenwenden

Am neuen Standort von HENSOLDT in Wetzlar feiert man den ersten Geburtstag. Seit drei Monaten ist der neue Standortleiter Michael Menges im Amt. Ein Hausbesuch.

Vor gut zwei Jahren fand auf dem Baugrundstück im Gewerbepark Spilburg der Spatenstich für den Neubau von HENSOLDT statt. Nur 14 Monate später wurde in den neuen Gebäuden der Betrieb aufgenommen. Heute sind wir wieder hier und stellen fest: HENSOLDT ist angekommen und denkt bereits einen Schritt weiter.

Die Gesellschaft für deutsche Sprache wählte 2022 den Begriff „Zeitenwende“ zum „Wort des Jahres“. Die geopolitischen Zusammenhänge und Auswirkungen, die mit diesem Begriff verbunden sind, dürften hinlänglich bekannt sein. Michael Menges, der neue Standortleiter von HENSOLDT in Wetzlar, wird oft darauf angesprochen. Klar: HENSOLDT gehört in der Wehrtechnik-Industrie zu den führenden Unternehmen und erlebt gerade einen Boom, der vor wenigen Jahren noch nicht vorstellbar gewesen wäre. Allerdings, so Menges, fiel die Entscheidung, am Standort Wetzlar in einen Neubau zu investieren, bereits im Frühjahr 2021: „Damals wurde von der Gruppe entschieden, im Zuge der Wachstumsstrategie den Standort Wetzlar auszubauen. Mit Blick auf eine Zukunft, von der man noch nicht wusste, wie sie aussehen würde. Und mit Blick auf unsere Herkunft, die ja sehr eng mit Wetzlar verbunden ist.“

HENSOLDT in Wetzlar – im Rückblick und heute

An einer Wand des modernen Besprechungsraums, in dem uns Michael Menges empfängt, hängt ein historischer Stich der Hensoldt-Werke in der Wetzlarer Gloelstraße. Die Abbildung erinnert daran, dass Moritz Hensoldt, der Namensgeber des Unternehmens, hier in den 1860er-Jahren seine optischen Werke für Fernrohre und astronomische Instrumente aufbaute. Hensoldt gehörte neben Ernst Leitz und Carl Kellner zu den Pionieren, die dazu beitrugen, dass Wetzlar eines der wichtigsten Zentren für Optik und Feinmechanik in Deutschland wurde. „Das ist bis heute so“, schwärmt Michael Menges. „Und deshalb haben wir als Betriebsstätte der HENSOLDT Optronics Division hier in Wetzlar auch die allerbesten Bedingungen.“

Der Neubau von HENSOLDT im Gewerbepark Spilburg umfasst ein Produktions- und Verwaltungsgebäude mit einer Nutzfläche von insgesamt 6.500 qm. Der klimaneutrale Industriekomplex mit Photovoltaik- und Geothermie-Anlagen bietet 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein modernes Arbeitsumfeld. Michael Menges leitet nicht nur den Standort, sondern verantwortet auch den hier angesiedelten Geschäftsbereich „Sights“. Darunter fallen handgehaltene Zieloptiken und optronische Geräte sowie Optiken für gepanzerte Gefechtsfahrzeuge. Hinzu kommen Kalibriermittel zur Ausrichtung der Waffenrohre (sog. „Boresighting“). Das Spektrum reicht von Restlicht- und Wärmebildgeräten für den Einsatz an Handwaffen über Feuerleitsysteme für Schulterwaffen oder Panoramaperiskope bis zu Hilfsvisieren und Fahrersichtsystemen für gepanzerte Fahrzeuge. Alle Produkte werden in Wetzlar entwickelt und gefertigt.

Der Neubau von HENSOLDT im Gewerbepark Spilburg in Wetzlar.

Enorme technische Möglichkeiten und höchste Anforderungen

Michael Menges fällt es nicht schwer, über diese ausgefeilten wehrtechnischen Systeme zu sprechen. Schließlich hat er mehr als die Hälfte seines Lebens er als Reserveoffizier in der Bundeswehr gedient. Fast genauso lang war er in Führungspositionen bei verschiedenen Unternehmen aus der Rüstungsindustrie tätig. Jedes Produkt aus seinem Haus betrachtet er mit dem Blick des Herstellers, aber eben auch aus der Perspektive des Anwenders. Angesichts der Komplexität von modernen wehrtechnischen Systemen ist ein gründliches Verständnis der Funktionsweise und des Zusammenspiels der einzelnen Komponenten unerlässlich. Die erfolgreiche Systemintegration verschiedener Technologien, Teilsysteme und Prozesse ist ein Schlüsselfaktor.

Für den Geschäftsbereich „Sights“ bedeutet das: Klassische optische oder optomechanische Zielsysteme müssen extremen Bedingungen standhalten, wenn etwa beim Abschuss einer Panzerfaust Beschleunigungskräfte von bis zu 800g wirken oder bei einem Maschinengewehr über den gesamten Lebenszyklus 50.000 Mal geschossen wird mit einer Belastung von jeweils 450g. Die Fahrer von Panzern oder anderen Gefechtsfahrzeugen erfassen ihre Umgebung durch hochstabilisierte elektrooptische (EO) oder Infrarot (IR) Kamerasysteme. Bei Nachtsichtvorsätzen oder Wärmebildgeräten wiederum werden Bildinformationen über Kameras und Lasersensoren erfasst, während gleichzeitig auf dem Display wertvolle Daten eingespiegelt werden. „Die technischen Möglichkeiten sind enorm“, erklärt Michael Menges. „Entsprechend hoch sind die Anforderungen an unsere Produkte für die Aufklärung, Überwachung und Zielerfassung. Im Ernstfall ist deren Qualität, Güte und Zuverlässigkeit überlebenswichtig.“

Langfristige Perspektiven am Standort Wetzlar

Um diese Qualität zuverlässig gewährleisten zu können, will HENSOLDT am Standort Wetzlar künftig die Fertigungstiefe erhöhen. Dazu braucht es vor allem qualifizierte Fachkräfte – vom Mechatroniker bis zum Entwicklungsingenieur. Ein Großteil der Bauteile und Komponenten wird aus Deutschland bezogen. Und natürlich profitiert HENSOLDT auch von der Zusammenarbeit mit Partnern in der Region Wetzlar, betont Michael Menges: „So gelingt es uns, höchste Standards in der Qualitätssicherung und Wartung zu erzielen, und wir können uns auf stabile Lieferketten verlassen. Denn: Wo die Komponenten herkommen, ist in unserem hochsensiblen Geschäftsfeld letztlich nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine hochpolitische Entscheidung.“

Inzwischen ist die Rede von einer „zweiten Zeitenwende“. Dass sie es schafft, abermals zum „Wort des Jahres“ gekürt zu werden, ist eher unwahrscheinlich. Aber es ist doch sehr wahrscheinlich, dass sie sich in die Auftragsbücher von HENSOLDT einschreibt. Rund 8.000 Zieloptiken pro Jahr verlassen inzwischen die Produktionshalle in Wetzlar. Tendenz steigend. Schon jetzt befasst sich das Unternehmen mit dem Gedanken, den Standort Wetzlar weiter auszubauen. „Wir können nicht von heute auf morgen Entscheidungen treffen, sondern müssen weit im Voraus planen“, betont Michael Menges. „Die wesentlichen Schwerpunkte unserer Wachstumsstrategie liegen darin, unser Portfolio zukunftssicher aufzustellen, die technologische Entwicklung über entsprechende Kompetenzzentren voranzutreiben und notwendige Produktionskapazitäten in den verschiedenen Geschäftsbereichen vorzuhalten. Auch in Wetzlar.“

www.hensoldt.net

HENSOLDT in Wetzlar

1852 in Sonneberg / Thüringen gegründet, lässt sich Moritz Hensoldt mit seiner optischen Werkstatt 1865 in Wetzlar nieder. Carl Zeiss ist mit seiner Firma bereits seit 1846 in Jena ansässig. Beide gelten als Pioniere und Wegbereiter der Optik. Anfang der 1920er-Jahre wird Hensoldt in eine AG umgewandelt, ab 1928 übernimmt das Stiftungsunternehmen Carl Zeiss die Aktienmehrheit. Damit werden die Kompetenzen zweier herausragender Optik-Unternehmen zusammengeführt. In dem Firmengebäude an der Wetzlarer Gloelstraße arbeiten fortan Mitarbeiter von HENSOLDT Optronics und ZEISS unter einem Dach. Mit der Entscheidung, im Zuge der Wachstumsstrategie am Standort Wetzlar zu investieren, schlägt HENSOLDT ein neues Kapitel in der traditionsreichen Firmengeschichte auf. Der Neubau im Gewerbepark Spilburg nimmt 2024 den Betrieb auf.