Dezember 2021
Bei Leitz und Leica ist die Unternehmensgeschichte auch Familiengeschichte. (Fotos: Ralf A. Niggemann)
Ernst Leitz Museum

Re-Opening

Das Ernst Leitz Museum in Wetzlar feiert sein Re-Opening – mit Aplomb, ja, aber auch mit außergewöhnlich hoher Erlebnisqualität. Es ist ein Museum, das die Besucherinnen und Besucher mitnimmt und zum Mitmachen einlädt. Dass das Konzept aufgeht, haben wir bei einem Rundgang erlebt.

Drei Wochen nach der Wiedereröffnung des Ernst Leitz Museums treffen wir Tim Pullmann und Geraldine Pfeffer von der Leitz Park Marketing GmbH. Monate intensiver Planung und Vorbereitung liegen hinter ihnen. Euphorie und Begeisterung stehen den beiden trotzdem ins Gesicht geschrieben. Und zwar völlig zurecht.

Als das Ernst Leitz Museum im Juni 2019 eröffnet wurde, beschenkte man die Besucherinnen und Besucher mit den Highlights aus über hundert Jahren Leica Fotografie. „Augen auf!“ hieß die Ausstellung – ein wahres Fest für alle, die sich an den Ikonen der Kleinbildfotografie nicht satt sehen konnten. Zwei Jahre und eine pandemiebedingte Talsohle später feiert das Museum nun sein Re-Opening. Konzept und Präsentation sind deutlich weiter gefasst. An die Stelle des kategorischen Imperativs „Augen auf!“ treten Aspekte der Teilhabe: „Sehen. Gestalten. Erleben.“ Und dahinter verbirgt sich weit mehr als nur ein gut gemeinter Dreiklang, erklärt Geraldine Pfeffer: „Heute wird mehr fotografiert als jemals zuvor, natürlich überwiegend mit dem Smartphone. Uns geht es darum, den Menschen anschaulich und interaktiv zu vermitteln, wie man Fotografie sehen, gestalten und erleben kann, wenn man sich intensiver damit beschäftigt.“

Analog – digital – interaktiv

Anreize, sich intensiv mit den verschiedensten Facetten der Fotografie auseinanderzusetzen, gibt es im Ernst Leitz Museum jede Menge. Im Erdgeschoss wird weiterhin große Foto-Kunst zu sehen sein. Ganz neu und beeindruckend gut gemacht ist die Museumspräsentation im gesamten Obergeschoss. Das Smartphone spielt dabei eine entscheidende Rolle – insbesondere wegen der Leitz-Park App, die den Museumsbesuch wirklich zu einem interaktiven Erlebnis macht. So kann man beispielsweise in einer Dunkelkammer die einstmals analogen Schritte des Vergrößerns, Entwickelns und Fixierens an „digitalen“ Tauchbecken durchspielen und den fertigen „Abzug“ über die App wieder aufs Smartphone übertragen. Wie ein moderner Fotoautomat funktioniert die bei den Besuchern äußerst beliebte Selbstporträt-Station. In aufwändig gestalteten Kabinetten wird das Spiel mit Licht und Schatten, Bewegungsunschärfen und Spiegelungen zum fotografischen Ereignis.

„Schon in den ersten Wochen ist deutlich geworden, dass Besucherinnen und Besucher unterschiedlichster Altersgruppen diese interaktiven Erlebnisräume extrem schätzen“, freut sich Tim Pullmann. Und doch ist ihm wichtig, dass das Museum nicht nur Spaß macht, sondern auch Einsichten vermittelt. Vor dem Panoramafenster des Museums blickt man durch die riesige Blende einer Leica S im Maßstab 50:1 – sie öffnet und schließt sich je nach Position der Besucher. Bildschirmgroße „Sucher“ zeigen auf, welche gestalterischen Kriterien eine ausgewogene Bildkomposition ausmachen, wie man bildnerische Akzente setzt oder die Blickrichtung des Betrachters führt. Welche Anordnung optischer Linsen in einem Objektiv die Brennweite bestimmen, die Aberration vermindern oder die Lichtstärke erhöhen, kann man per Live-Simulation an einem digitalen Display interaktiv erkunden.

Von der Geburtsstunde der Leica bis zum brandneuen Leitz Phone 1

Auch die Geschichte von Leica wird im Ernst Leitz Museum erlebbar. Oskar Barnack ist sogar eine eigene Ausstellung gewidmet. 1914 präsentierte er den Prototypen einer 35mm-Kamera, die die Fotografie revolutionieren würde. Und doch sollte es noch mal zehn Jahre dauern, bis sich Ernst Leitz II im Juni 1924 nach einer intensiven Debatte mit seinen engsten Mitarbeitern für die Serienproduktion der ersten Leica aussprach: „Ich entscheide hiermit: Es wird riskiert.“ Auf einem interaktiven Monitor werden die Protagonisten und ihre Argumente lebendig, die Besucherinnen und Besucher dürfen sozusagen mitentscheiden. Direkt daneben haben sie die seltene Gelegenheit, Oskar Barnacks persönliche Kamera aus der Leica 0-Serie mit der Seriennummer 105 zu bestaunen. Die älteste erhaltene Leica ist eine Leihgabe und nur noch bis zum Ende des Jahres zu sehen. Danach eröffnet das Fenster zum Archiv interaktive Einblicke in die bewegte Leica Historie.

Um die Ecke gelangt man entlang der faszinierenden Leica Produktgeschichte wieder in die Gegenwart: Hier präsentiert der Kamerahersteller das Leitz Phone 1, das die Smartphone-Fotografie auf ein neues Level hebt. Diese Entwicklung erscheint logisch. Ob sie die Fotografie abermals revolutioniert, wird sich erweisen müssen. Aber darum geht es im Ernst Leitz Museum gar nicht, wie Tim Pullmann betont: „Wenn wir es schaffen, den Besucherinnen und Besuchern eine neue Sensibilität und Wertschätzung für das fotografische Sehen, Gestalten und Erleben auf den Weg zu geben, dann haben wir alles richtig gemacht.“ Wünschenswert wäre es. Und fast schon revolutionär.

www.ernst-leitz-museum.com