Juni 2025
Karin Rehn-Kaufmann. (Fotos: Michael Agel)
Leica Camera

Geschenke zum Jubiläum

Mit einem fulminanten Auftakt startete Leica ins Jubiläumsjahr. Was ihr dabei besonders am Herzen liegt und was noch kommt, verrät Karin Rehn-Kaufmann im Interview.

Wir treffen Karin Rehn-Kaufmann zwischen Dubai und New York in Wetzlar. In ihrer Funktion als Art Director und Generalbevollmächtigte leitet sie 28 Leica Galerien weltweit und ist entsprechend viel unterwegs. Aber es wird schnell klar: Für sie ist das weit mehr als nur eine Funktion.

W3+: 1914 konstruierte Oskar Barnack die erste Kleinbildkamera, die sogenannte Ur-Leica. 1925 kam die erste serienreife Kamera, die Leica I, auf den Markt. Kann man sagen, welches Datum wichtiger war?

Karin Rehn-Kaufmann: 1914 war der Moment, als Oskar Barnacks Idee für eine völlig neuartige Kamera sozusagen Realität wurde. Im selben Jahr begann bekanntlich der Erste Weltkrieg, der erst im November 1918 endete. Die Jahre danach waren wirtschaftlich von massiver Inflation geprägt. In dieser Zeit den Mut zu haben, diese Kamera zur Serienreife und auf den Markt zu bringen, ist mindestens genauso wichtig wie deren Erfindung. 1925 wurde die Leica I auf der Leipziger Frühjahrsmesse der breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Ich würde sagen, das war die eigentliche Initialzündung für eine Erfolgsgeschichte, die ihresgleichen sucht.

W3+: Die Leica I hat nicht nur die Fotografie technisch revolutioniert, sondern das Fotografieren selbst. Es heißt, die Leica habe fortan als „Zeugin des Jahrhunderts“ sogar das kollektive Bildgedächtnis über Generationen geprägt. Würden Sie da mitgehen?

Karin Rehn-Kaufmann: Auf jeden Fall. Aber das, was die Leica „als Zeugin des Jahrhunderts“ geleistet hat, ist bei näherer Betrachtung sehr vielschichtig: Da wären zum einen die herausragende Technik und Optik der Kameras, die fotografisch vieles ermöglicht haben, was bis dahin gar nicht möglich war. Das belegen viele teils ikonische Bilder, die in den vergangenen 100 Jahren entstanden sind. Dazu gehören aber auch die Menschen hinter den Kameras, deren Fotos tatsächlich über Generationen den Blick auf die Welt geprägt haben, wie Sie sagen. All diese Facetten wollen wir in unserem 100 Jahre Jubiläum aufscheinen lassen.

W3+: Dass man sich so stark auf die Historie und auch Tradition beruft, war bei Leica nicht immer so, oder?

Karin Rehn-Kaufmann: Ich denke, das Bewusstsein dafür war schon immer da – es wurde halt im Laufe der Unternehmensgeschichte mal mehr, mal weniger intensiv gepflegt. Schauen Sie, der Ausgangspunkt für alles, was wir hier machen und feiern, ist schlicht und einfach: eine Fotokamera, allerdings eine sehr besondere. Sie steht für eine Innovationskraft, die uns in den vergangenen 100 Jahren über viele Produktgenerationen groß gemacht hat. Wie wir auf diese Innovationen schauen und welche innovativen Produkte wir heute und in Zukunft entwickeln, liegt gleichermaßen in unserer unternehmerischen Verantwortung. Dieser Gedanke steckt in allem, was wir machen.

»Worauf ich mich besonders freue, sind die vielen Jubiläumsveranstaltungen in Wetzlar. Hier liegt unsere Geschichte, hier ist unsere Zukunft.«

Karin Rehn-Kaufmann

W3+: Wie wichtig ist es aus Ihrer Sicht, nicht nur die Technik- oder Produktgeschichte von Leica zu erzählen, sondern auch die damit verbundene Kulturgeschichte des fotografischen Bildes zu pflegen?

Karin Rehn-Kaufmann: Meinem Mann, Andreas Kaufmann, und mir war es von Anfang an ein großes Anliegen, der einmaligen Geschichte unserer Produkte und der damit verbundenen Kultur der Fotografie eine Bühne zu geben. Als wir 2004 die Dinge in die Hand nahmen, gab es vier Leica Galerien in New York und Tokio, in Frankfurt und Solms. Ich habe 2008 die Leica Galerie in Salzburg eröffnet. Danach ging es Schlag auf Schlag. In diesem Jahr werden wir die achtundzwanzigste Leica Galerie eröffnen. Zudem haben wir neben dem Leica Hall of Fame Award auch den Leica Oskar Barnack Award für zeitgenössische Fotografie mehr Strahlkraft verliehen. Und das Ernst Leitz Museum in Wetzlar ist einfach ein großartiger Ort, um international berühmten Fotografen, aber auch jungen Talenten, wie in der Ausstellung unserer Finalisten und Gewinner des LOBA, eine Bühne zu geben. Daran erfreue ich mich jedes Mal, wenn ich hier bin.

W3+: Die ersten beiden Jubiläumsausstellungen in Wetzlar – „Magie der Straße“ und „Das gute Bild“ – wurden ausschließlich aus dem Leica Archiv bestückt.

Karin Rehn-Kaufmann: Das ist richtig und macht mich auch ein bisschen stolz. Denn die weitgehend unsichtbare Archivarbeit ist wirklich ein Geschenk. Da gibt es immer wieder neue und überraschende Schätze zu entdecken. Daran wollten wir ganz bewusst das Publikum teilhaben lassen. In der Ausstellung zur „Street Photography“ geht es um unterschiedliche Begegnungen zwischen Menschen auf der Straße, vor und hinter der Kamera. Jedes Bild und jeder Fotograf erzählt eine ganz eigene Geschichte. In der Ausstellung „Das gute Bild“ gewähren wir Einblicke ins Archiv, die zwar weniger prominent, aber umso spannender sind. Ursprünglich sollten diese auf Karteikarten aufgezogenen „Leistungsbeweise“ anschaulich machen, zu welchen Ergebnissen Leica Kameras und Objektive in der Lage sind. Aber es sind darunter unglaublich tolle Aufnahmen, die mindestens genauso viel über die kreative „Leistung“ der Fotografen aussagen.

W3+: „100 Jahre Leica I“ wird in der ganzen Welt gefeiert: von Dubai bis Mailand, von New York bis Shanghai, in der letzten Juniwoche sogar eine ganze Woche lang in Wetzlar. Worauf freuen Sie sich am meisten?

Karin Rehn-Kaufmann: Puh! Ich kann gar nicht alles aufzählen, was wir im Jubiläumsjahr vorhaben. Wir haben tatsächlich rund um den Globus ein umfangreiches Programm vorbereitet, um gemeinsam mit unserer internationalen Community 100 Jahre Leica I zu feiern. Worauf ich mich besonders freue, sind die vielen Jubiläumsveranstaltungen in Wetzlar. Hier liegt unsere Geschichte, hier ist unsere Zukunft. Ende Juni gibt es tatsächlich eine ganze Festwoche in Wetzlar, die mit einem Konzert des Jugendorchesters Bella Fortuna aus Salzburg und dem Leica Chor im Wetzlarer Dom feierlich eröffnet wird. In der Leica Welt gibt es eine monumentale Ausstellung mit Werken von Joel Meyerowitz. Wir kooperieren mit der Galerie am Dom und präsentieren dort mit Herlinde Koelbl, Vera Mercer, Henrike Stahl und Donata Wenders vier großartige Fotografinnen. Im Neuen Rathaus zeigen wir die Geschichte der Produktion, aber auch bemerkenswerte Werbemittel und Plakate. Es wird einen Gala-Festakt in der Buderus Arena für geladene Gäste geben – und einen Familientag für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie sind und waren schon immer der wertvollste Teil der Leica Community. Und das wollen wir mit ihnen auch ausgiebig feiern.

www.leicawelt.com

Karin Rehn-Kaufmann

Karin Rehn-Kaufmann eröffnete 2008 die erste Leica Galerie in Salzburg. Heute leitet sie als Art Director & Chief Representative Leica Galleries International 28 Leica Galerien weltweit. Sie kuratierte zahlreiche bedeutende Fotoausstellungen im In- und Ausland und ist auch für das Ernst Leitz Museum in Wetzlar verantwortlich. Karin Rehn-Kaufmann ist zudem Mitglied der Jury des Leica Oskar Barnack Awards und hat den renommierten Fotografiepreis maßgeblich mitgestaltet und weiterentwickelt.