Dezember 2021
Fotos: Ralf A. Niggemann
DIOPTIC

Die Physiker

Die Mitgliedschaft im Wetzlar Network ist für DIOPTIC eine Bereicherung – in jeder Hinsicht. Als Partner in dem vom BMBF geförderten F&E-Kooperationsprojekt kann das Unternehmen aus Weinheim seine Expertise bei anspruchsvollen optischen Technologien und deren erfolgreicher Systemintegration einbringen.

Bei DIOPTIC, hatte man mir gesagt, arbeiten in erster Linie Physiker. Auf dem Weg nach Weinheim an der Bergstraße versuche mir vorzustellen, wer und was mich da erwartet. Dort angekommen, vergisst man schnell, was man über Physiker zu wissen glaubt. Im Empfangsbereich von DIOPTIC steht zwar ein Weltraumteleskop, aber es ist auf das menschliche Maß eines Lego-Modells verkleinert. Man wird herzlich begrüßt. Was mich bei DIOPTIC erwartet, sind Menschen mit Sozialkompetenz und Profis mit Profil; kluge und kreative Köpfe, die nicht bloß theoretisieren, sondern ganz genau wissen, was sie tun müssen, um Innovationen erfolgreich in die Tat umzusetzen.

Kundenspezifische Qualitätsprüfsysteme und Infrarotobjektive

Einer dieser Physiker ist Jean-Michel Asfour, der Chef von DIOPTIC. 1999 gründet er in Offenbach die Firma DIOPTIC. Vier Jahre später erfolgt der Umzug nach Weinheim, wo das Unternehmen bis heute zu Hause ist. Mit einer klaren Geschäftsidee im Kopf und dem Wachstumspotenzial optischer Systeme vor Augen, macht sich also Jean-Michel Asfour um die Jahrtausendwende auf den Weg: „Die heute vielbeschworene Digitalisierung hatte in der Optik bereits damals eingesetzt, als die Analogfotografie durch Bildsensoren abgelöst wurde. Auch in der Medizindiagnostik hielt etwa zur gleichen Zeit eine durch Optik unterstützte Form der Digitalisierung Einzug. Seitdem kamen und kommen immer neue Impulse für die Optikbranche hinzu.“ Was rückblickend wie ein Selbstläufer klingt, ist doch für einen kleinen Mittelständler wie DIOPTIC nicht selbstverständlich. Um diese Entwicklungen maßgeblich mitzugestalten, braucht es mehr: Innovationskraft, Durchhaltevermögen und die feste Entschlossenheit, stets an die Grenzen des Machbaren gehen zu wollen.

Mit diesen Qualitäten im Gepäck hat sich DIOPTIC zu einer Größe entwickelt – fachlich immer vorne dabei und personell bestens aufgestellt mit inzwischen mehr als 25 Spezialisten, die „so motiviert sind, dass die Interessen des Kunden zu den eigenen werden“, wie es Jean-Michel Asfour beschreibt. Die Systemlöser aus Weinheim bieten ganzheitliche Beratungs- und Entwicklungsleistungen in allen Bereichen der optischen Messtechnik. Darüber hinaus produziert und vertreibt DIOPTIC kundenspezifische Qualitätsprüfsysteme und Infrarotobjektive. Bei diffraktiven optischen Elementen für die ultrapräzise interferometrische Oberflächenprüfung ist DIOPTIC Marktführer.

Innovative Wellenfrontmesstechnik für Schlüsseltechnologien

Dass es dabei um zukunftsweisende Innovationen geht, ist nicht einfach nur eine Marketingphrase, die sich viele Unternehmen allzu leichtfertig ans Revers heften. Bei DIOPTIC entspricht es der Realität. Die Zukunft – das sind beispielsweise Lidar-Module (Light detection and ranging), die bei der laserbasierten Umfelderfassung eine zentrale Rolle spielen. Für deren Fertigung realisiert DIOPTIC Prüfsysteme und automatisierte Justageprozesse im optimalen Zusammenspiel zwischen Sensorik und Aktorik. Konkret geht es dabei um ein neues Verfahren zur hochgenauen Wellenfrontmesstechnik, für das die Optikspezialisten aus Weinheim ein patentiertes Funktionsprinzip entwickelt haben: mit dem sogenannten WAVOS-Sensor kann die Topographie beziehungsweise Wellenfrontqualität von Laser-Hochleistungsspiegeln oder beliebigen anderen Optiken vermessen werden. In diesem Entwicklungsprojekt, das vom BMBF gefördert wird, kooperiert DIOPTIC eng mit der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) und mit dem Optikzentrum Wetzlar.

Ziel ist es, das neue Verfahren der Wellenfrontmesstechnik als Alternative zur Interferometrie zu etablieren – und damit auch die Realisierung von Lidar-Systemen auf eine neue Stufe zu heben. „Das Lidar-Verfahren gilt als eine der Schlüsseltechnologien für das autonome Fahren“, betont Jean-Michel Asfour, „und mit unserer innovativen Wellenfrontmesstechnik könnten wir einen wertvollen Beitrag dazu leisten.“ Dass das System nicht nur theoretisch eine gute Idee ist, sondern auch in der Anwendung überzeugt, hat WAVOS cover bereits im Produktentstehungsprozess eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Nun geht es darum, das System so auszulegen, dass es hinsichtlich Beleuchtungswellenlänge, Probengeometrie oder automatisierten Prüfzyklen an verschiedene Anforderungen angepasst werden kann.

Wenn Physik nicht nur schöne Theorie ist, sondern zum marktreifen Produkt führt

Einen Weg in die Zukunft weisen auch sogenannte computergenerierte Hologramme (CGHs), die in verschiedenen Anwendungsfeldern der Präzisionsoptik eingesetzt werden. Mit den von DIOPTIC entwickelten Multizonen-CGHs können einzelne Linsen von Abbildungsoptiken mit bisher unerreichter Genauigkeit zueinander justiert werden. Auf diese Expertise setzt sogar die europäische Weltraumorganisation ESA, zum Beispiel bei der Justage der optischen Elemente des Weltraumteleskopes Euclid. Wie eine kleine, aber nicht weniger innovative Fingerübung erscheint demgegenüber das optische Modul, das DIOPTIC für ein besonderes Head-Up-Display entwickelt hat. Besonders daran ist, dass es sich dabei um ein Head-Up-Display für Fahrradhelme handelt, auf dem alle relevanten Informationen optisch eingespielt werden. Seit 2018 ist das USEE® Head-Up-Display von MOMES auf dem Markt.

„Bei DIOPTIC erlebe ich jeden Tag aufs Neue, dass Physik nicht nur schöne Theorie ist, sondern vor allem dann richtig Spaß macht, wenn am Ende ein marktreifes Produkt steht“, sagt Daniel Kiefhaber. Er ist CTO von DIOPTIC und hat das Prüfsystem ARGOS von Anfang an mitentwickelt – das erste System seiner Art, welches Linsen und Planoptiken auf Oberflächenunvollkommenheiten nach ISO 10110-7 prüft. Die jüngste Generation ARGOS matrix 200 ist ausgestattet mit einer hochauflösenden Kamera und einer schaltbaren Dunkelfeld-Beleuchtung. Bilder verschiedener Beleuchtungskonfigurationen werden fusioniert, um eine zuverlässige Fehlererkennung mit hoher Wiederholgenauigkeit zu gewährleisten. Ein präziser 200 mm Verfahrtisch ermöglicht die Prüfung einer großen Anzahl von Teilen in einem Tray. Bei der objektiven und reproduzierbaren Prüfung werden die Messergebnisse vollautomatisch in einem detaillierten Prüfbericht dokumentiert.

„Mit ARGOS matrix 200 haben wir ein universell einsetzbares Prüfsystem entwickelt, das für viele Marktsegmente einsetzbar ist“, erklärt Daniel Kiefhaber. Die ARGOS Hardware- und Software-Plattform ist bewusst offen angelegt, um auch kundenspezifische Systeme mit angepassten Eigenschaften oder Sonderauswertungen einfach und effizient umzusetzen. Ideal eignet sich ARGOS matrix 200 für die Prüfung optischer Komponenten wie Linsen, Prismen, Spiegel oder Filtergläser. Und auch wenn die Optikfertigung 4.0 noch am Anfang steht – das Inspektionssystem leistet schon heute einen wichtigen Beitrag dazu.

Positiv unberechenbar: das Erfolgsgeheimnis von DIOPTIC

An außergewöhnlichen Ideen für eigene Produkte oder Projekte im Kundenauftrag mangelt es wahrlich nicht. „Was man nirgends gebrauchsfertig kaufen kann, bekommen die Kunden bei uns, und zwar maßgeschneidert aus einer Hand“, betont Entwickler und Qualitätsmanager Klemens Bardelang. Und dass man bei DIOPTIC nie weiß, welche neue Aufgabe einen in vier Wochen erwartet, ist für die hochqualifizierten Mitarbeiter kein Problem. Im Gegenteil: Es macht den Job erst richtig interessant. Klemens Bardelang nennt das „positive Unberechenbarkeit“.

So ist es DIOPTIC bei aller Unberechenbarkeit gelungen, über zwei Jahrzehnte organisch und gesund zu wachsen. Das beweisen die konstanten Wachstumsraten, die kontinuierlich wachsende Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – und auch die konkreten Pläne für eine Erweiterung am Standort Weinheim. Vieles spricht dafür, dass der Optikspezialist DIOPTIC mit diesem Schritt ein neues Kapitel seiner Erfolgsgeschichte aufschlagen wird. Im Auftrag von Industrie und Wissenschaft. Mit klugen und engagierten Physikern, die auch künftig alles möglich machen. Mit innovativen Ideen und Lösungen, von denen wir heute noch gar nichts wissen. Das klingt tatsächlich nach einer unberechenbaren Zukunft, aber im positivsten Sinne!

www.dioptic.de


CHANCEN UND VORTEILE

2017 wurde das Wetzlar Network in die Fördermaßnahme „Internationalisierung von Spitzenclustern“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) aufgenommen. Die Fördermaßnahme zielt darauf ab, mittelständischen Unternehmen in der Region internationale Entwicklungskooperationen zu ermöglichen. Im Juli 2019 starteten die ersten Projekte. Die DIOPTIC GmbH ist an einem der F&E-Kooperationsprojekte maßgeblich beteiligt. Im Kern geht es dabei um die Entwicklung eines neuartigen Funktionsprinzips, das auf ein neues Verfahren zur hochgenauen Wellenfrontmesstechnik als Alternative zur Interferometrie abzielt. Dafür erhielt das Unternehmen erhebliche Fördermittel. Im Rahmen des Projektes kooperierte DIOPTIC intensiv mit der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) und dem Optikzentrum Wetzlar.