15 Jahre Wetzlar Network
Das Wetzlar Network gehört zu den erfolgreichsten Industrie-Clustern in Hessen und in der ganzen Republik. Anlässlich seines 15-jährigen Jubiläums sprechen Dr. Andreas Viertelhausen, Dr. Carsten Ott und Ralf Niggemann über die Besonderheiten des Netzwerks und der Wirtschaftsregion.
Wir treffen die drei Herren im dritten Obergeschoss des Neuen Rathauses Wetzlar – mit herrlichem Ausblick über die Stadt bis zum Dom. Rund fünfhundert Meter Luftlinie entfernt kreisen die Kräne über dem Neubau der Domhöfe. Der Eindruck: Es bewegt sich was.
W3+: 2010 wurde hier im Neuen Rathaus das Wetzlar Network gegründet. Was waren die Motive und Ziele des Industrienetzwerks?
Ralf Niggemann: Uns ging es von Anfang an darum, die Stärken unserer Industrieregion sichtbar machen und die vorhandenen Expertisen stärker zu vernetzen. Die Unternehmen in den Bereichen Optik und Mechanik, Elektronik, Sensorik und Lasertechnik, die wir hier in der Region haben, reichen von international agierenden Global Playern bis zu hochspezialisierten Mittelständlern. Das ist großartig! Gleichzeitig konnte man beobachten, dass viele Unternehmen über Jahrzehnte ihr eigenes Ding gemacht und die Potenziale in der unmittelbaren Umgebung oftmals gar nicht gesehen haben. Eine zentrale Idee hinter der Gründung des Wetzlar Network bestand darin, die Leute davon zu überzeugen, dass man miteinander viel mehr erreicht. Und zwar in der Region und darüber hinaus. Dieses Bewusstsein hat sich in den vergangenen 15 Jahren verändert – und ich denke, dazu hat das Wetzlar Network maßgeblich beigetragen.
Andreas Viertelhausen: Das sehe ich auch so. Entscheidend ist aus meiner Sicht, dass sich unter dem Dach des Wetzlar Network eine Vielzahl an Unternehmen aus der Region engagieren, aber eben auch die öffentliche Hand mit dem Land Hessen und der Stadt Wetzlar. Das heißt, das Netzwerk bietet eine breite Gesprächsebene, um auf Augenhöhe miteinander agieren zu können. Das ist und war aus meiner Sicht der eigentliche Mehrwert: Dass es sich um eine gemeinsame Initiative handelt, für die sich alle einsetzen und von der letztlich auch alle profitieren.
Carsten Ott: Wir von Hessen Trade & Invest sind unter anderem für die Cluster-Betreuung im Land Hessen zuständig und haben das Wetzlar Network von Anfang an begleitet. Und ich muss sagen: Das Wetzlar Network zählt zu den wirklich herausragenden Clustern im Land. Das gilt nicht nur für die vergangenen 15 Jahre, sondern auch heute und sicher auch mit Blick in die Zukunft. Dass ein Netzwerk in dieser Form so überaus engagiert Initiativen und Aktivitäten auf den Weg und ins Ziel bringt, ist selten, wenn nicht sogar einzigartig.

»Dass ein Netzwerk so überaus engagiert Initiativen auf den Weg und ins Ziel bringt, ist selten, wenn nicht sogar einzigartig.«
Dr. Carsten Ott
W3+: Ein Netzwerk ist ja kein Selbstzweck, sondern es lebt von konkreten Initiativen und Impulsen. Wie gelingt das?
Ralf Niggemann: Das Wetzlar Network fungiert als Vermittler, Kommunikator und Multiplikator. Von Anfang an bis heute gibt es das W3+ Magazin und die Website, die dafür sorgen, dass das einzigartige Branchenprofil in der Region und im überregionalen Wettbewerbsumfeld noch stärker wahrgenommen wird. Wir schaffen die kooperative Basis für den Austausch zwischen den Unternehmen und auch Bildungs- und Forschungseinrichtungen, um so bei den Themen Technologieentwicklung oder Aus- und Weiterbildung Impulse zu setzen. Auch die W3+ Fair ist aus diesem Geist geboren: eine Netzwerkmesse als Forum für branchenübergreifenden Austausch und Wissenstransfer. Ich könnte noch Einiges mehr aufzählen, aber dann kommen meine Kollegen nicht mehr zu Wort. (lacht)
Carsten Ott: Ich würde gerne noch einen Punkt ergänzen, der mir wichtig ist: Es gibt hier sehr viele hochspezialisierte Unternehmen, die sich auf jahrzehntelange Erfahrung und Expertise berufen können. Gleichzeitig sehen sich die Unternehmen mit der Herausforderung konfrontiert, im Hinblick auf Innovationen, auf digitale Trends oder zukünftige Geschäftsfelder neue Schritte zu gehen, um sich weiterzuentwickeln. Auch da hat das Wetzlar Network viele Impulse gesetzt. Ich denke etwa an die Fachforen zu „Computational Imaging“ oder zum Thema „Digitalisierung im Mittelstand“. Es geht um Wissenstransfer und den Austausch. Ich habe zum Beispiel in Veranstaltungen erlebt, dass ein Unternehmen seine Digitalisierungsstrategie vorstellte und andere Unternehmen davon profitiert haben. Da geht es nicht darum, dass man bei der Konkurrenz abkupfert, sondern um die produktive Erkenntnis, dass sich – etwa beim Thema Digitalisierung – im eigenen Unternehmen Wege und Möglichkeiten auftun, ohne dass man das Rad komplett neu erfinden muss. Effektiver kann Netzwerkarbeit kaum sein.
Andreas Viertelhausen: Denselben Effekt sehe ich beim Thema Fachkräftemangel, das so ziemlich jedes Unternehmen betrifft. Da ich sozusagen hauptamtlich die gesamte Wirtschaftsregion im Blick habe, ist es aus meiner Sicht nur wenig hilfreich, wenn eine Firma in der Region von der anderen die besten Mitarbeiter abwirbt. Viel wertvoller sind da Netzwerk-Initiativen, um gemeinsam mit den Unternehmen aktiv zu werden. Dazu zählt zum Beispiel das MINT Cluster Wetzlar (MCW) – einem vom BMBF geförderten Programm zur MINT-Bildung von Jugendlichen, an dem das Wetzlar Network federführend beteiligt ist, mit der JLU und verschiedenen Schulen der Region als Bildungspartnern. Besonders stolz und gespannt blicken wir natürlich auf das neue Science Center Wetzlar, das 2026 in den Neuen Domhöfen Wetzlar eröffnet wird. Auch dieses Leuchtturm-Projekt ist letztlich der Initiative des Wetzlar Network zu verdanken.
W3+: Herr Niggemann, so viel Lob könnte zu Übermut führen, oder?
Ralf Niggemann: Nein, das wird es ganz sicher nicht. Ich habe immer gesagt: Das Wetzlar Network ist nur so stark wie seine Mitglieder und Partner. Das bewahrheitet sich im neuen Science Center, das Herr Viertelhausen erwähnt hat, einmal mehr. Diese Initiative verdankt sich insbesondere der engen Zusammenarbeit mit dem Oberbürgermeister und der Wirtschaftsförderung der Stadt Wetzlar. In der Geschäftsführung der Science Center gGmbH arbeiten Vertreter der Wirtschaftsförderung, des Wetzlar Network und der Stadthalle eng zusammen. Das inhaltliche und didaktische Konzept entwickeln wir gemeinsam mit den Experten vom physikalischen Institut der JLU. Ganz wichtig ist mir zu betonen, dass sich auch die Unternehmen im Netzwerk dafür engagieren. Ohne deren finanzielle Unterstützung wäre das neue Science Center Wetzlar gar nicht realisierbar.

»Ich habe immer gesagt: Das Wetzlar Network ist nur so stark wie seine Mitglieder und Partner. Das bewahrheitet sich im neuen Science Center einmal mehr.«
Ralf Niggemann
W3+: Herr Ott, Sie haben das ganze Land im Blick, haben aber familiäre Wurzeln hier in der Region. Hat dieses unternehmerische Engagement mit einer besonderen Mentalität zu tun?
Carsten Ott: Mein Vater kommt aus der Region und habe die Erfahrung gemacht, dass man sich ehrlich, miteinander auseinandersetzt und dann handfest gemeinsam anpackt. Und zwar mit Überzeugung. Diese Mentalität ist Gold wert. Herr Niggemann hat ja gerade geschildert, wie sehr sich die Unternehmen auch für Initiativen engagieren, die weit über ihre rein unternehmerischen Eigeninteressen hinaus gehen. Daraus spricht ein Gemeinsinn, der heute eher selten geworden ist. Und das Wetzlar Network geht da mit bestem Beispiel voran.
W3+: Offensichtlich geht es den Unternehmen in der Region Wetzlar gut – viele investieren an hier am Standort. Wie schätzen Sie die Potenziale und Perspektiven für die nahe Zukunft ein?
Andreas Viertelhausen: Die aktuelle Entwicklung ist tatsächlich äußerst positiv: Zeiss SMT und Hensoldt haben neu gebaut. Viaoptic, Weller Feinwerktechnik, Janitza und auch Oculus expandieren. Das ist gut für die Zukunft der ganzen Region, entbindet uns allerdings nicht von den damit verbundenen Aufgaben. Wir müssen die Flächen und Infrastrukturen schaffen, die die Unternehmen benötigen. Wir müssen sicherstellen, dass unser Standort für die Unternehmen, aber auch für potenzielle Arbeitskräfte attraktiv bleibt. Und wir sollten die Chance nutzen, qualifizierte Nachwuchskräfte, die in den Betrieben, an der THM oder der JLU ausgebildet werden, hier zu behalten. Wenn uns das gelingt, mache ich mir um die Zukunft unserer Industrieregion keine Sorgen.
Dr. Andreas Viertelhausen
Bürgermeister der Stadt Wetzlar
Dr.-Ing. Carsten Ott
Abteilungsleiter Technology & Innovation / COO Hessen Trade & Invest GmbH
Ralf Niggemann
Manager Wetzlar Network